Kapitel 4 Die Investitionen
Investitionsausgaben sind für die kurzfristige Dynamik der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage von enormer Bedeutung. Sie sind in der Regel wesentlich volatiler, d.h. sie schwanken stärker als beispielsweise der private Konsum oder die Staatsausgaben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Investitionen stark vom Optimismus oder auch Pessimismus der Unternehmen getrieben sind. In Zeiten eines wirtschaftlichen Aufschwungs steigen auch die Investitionen tendenziell an, während sie in einer Rezession schnell zusammenbrechen können. Aufgrund ihrer relativ hohen Volatilität sind die Investitionen eine zentrale makroökonomische Größe, insbesondere wenn es um die Entwicklung der Konjunktur und der Arbeitslosigkeit geht. Gleichzeitig bestimmen die Investitionen das Wachstum des Kapitalstocks. Sie spielen daher auch eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Produktionskapazitäten, Produktivität und technologischem Fortschritt einer Ökonomie, die jedoch in diesem Buch nicht weiter behandelt werden, da hier nur die kurzfristigen Nachfragewirkungen der Investitionen im Mittelpunkt stehen. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns daher zunächst mit den Determinanten der Investitionsnachfrage.
Abbildung 4.1 zeigt den Anteil der privaten Investitionen am BIP für verschiedene Länder. Für die meisten der gezeigten Länder liegt der Investitionsanteil im Laufe der Zeit zwischen 10% und 30%. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist für China zu beobachten. Die Investitionsquote stieg von einem extrem niedrigen Niveau von weniger als 7% in den 1950er Jahren auf ein extrem hohes Niveau von über 45% nach 2010. Für Deutschland hat die Investitionsquote im Zeitverlauf hingegen deutlich abgenommen.
Dass die Volatiliät der Investitionsausgaben üblicherweise höher ist als die der anderen Komponenten der Nachfrage, lässt sich in Abbildung 4.2 sehen, welche die Wachstumsrate des realen BIPs, des Konsums, der Investitionen und der Staatsausgaben für Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien darstellt.
Zu den Investitionsausgaben gehören alle Ausgaben der Unternehmen für neu hergestellte Maschinen und Ausrüstungen (Ausrüstungsinvestitionen) sowie für den Bau von gewerblich genutzten Gebäuden (Bauinvestitionen). Hinzu kommen die sonstigen Anlageinvestionen, die z.B. die Ausgaben für Computerprogramme oder Patente umfassen. Die Anlageinvestitionen setzen sich daher aus den Ausrüstungsinvestitionen, den Bauinvestitionen und den sonstigen Investitionen zusammen. Die Ausgaben der privaten Haushalte für den Bau von Wohnimmobilien werden auch zu den Bauinvestitionen gezählt. Staatliche Ausgaben gehören zu den Investitionen, wenn sie für Gebäude oder Ausrüstungen getätigt werden. Zu den Investitionsausgaben zählen auch die Lagerinvestitionen, d.h. der absichtliche oder unabsichtliche Aufbau von Beständen an unfertigen und fertigen Erzeugnissen oder Produktionsmaterialien.
4.1 Die Investitionsfunktion und die Erwartungen der Unternehmen
Investitionen und ihre Einflussfaktoren sind ein zentraler Bestandteil jeder makroökonomischen Theorie. In makroökonomischen Modellen werden sie durch eine Investitionsfunktion beschrieben, d.h. durch eine Verhaltensgleichung, die die Abhängigkeit der aggregierten Investitionsnachfrage von anderen Variablen aufzeigt. Die Investitionsfunktion bestimmt also die Investitionsausgaben der Unternehmen, welche wiederum durch die gewünschte Größe des Kapitalstocks bestimmt werden. Die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage stehen im Mittelpunkt jeder Investitionstheorie. Erwartungen sind empirisch jedoch nicht direkt messbar. In der Investitionstheorie geht es daher zu einem großen Teil darum, Variablen zu finden, welche die Erwartungsbildung der Unternehmen und damit ihre Investitionsbereitschaft beeinflussen. Für ein sehr einfaches makroökonomisches Modell können wir zunächst annehmen, dass die Erwartungen und damit die Investitionsnachfrage, \(I\), vollständig exogen gegeben ist und somit gilt:
\[\begin{equation} I = a_a \tag{4.1} \end{equation}\]
In dieser „Investitionsfunktion“ ist die Investitionsbereitschaft der Unternehmen nur durch den Parameter \(a_a\) gegeben. Dieser Parameter kann daher als Maß für den allgemeinen Optimismus oder Pessimismus der Unternehmen verstanden werden.18 Schwankungen in der Wahrnehmung des allgemeinen „Investitionsklimas“ und der „Wirtschaftslage“ durch die Unternehmen führen dann zu Schwankungen in der Investitionsnachfrage. Solche allgemeinen Einschätzungen der Investitionsbereitschaft der Unternehmen werden oft als „Animal Spirits“ bezeichnet. Dieser Begriff wurde erstmals von John Maynard Keynes (1936, 161) im Zusammenhang mit der Entstehung ökonomischer Entscheidungen in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld verwendet.
In der allgemeinen Investitionsfunktion in Gleichung (4.1) machen wir keine genaue Aussage über den spezifischen Einfluss anderer Variablen auf die Investitionsnachfrage. Dennoch können wir allgemeine Aussagen über wichtige Faktoren machen, die die Investitionsnachfrage oder die Animal Spirits beeinflussen. So scheint es beispielsweise plausibel anzunehmen, dass die Gewinnerwartungen der Unternehmen eine zentrale Rolle für Investitionen spielen: Wenn Unternehmen eine hohe Kapazitätsauslastung und volle Auftragsbücher mit guter Rentabilität erwarten, sind sie bereit, ihre Produktionskapazitäten zu erweitern oder in neue Technologien zu investieren. Da die Erwartungen der Unternehmen hinsichtlich der tatsächlichen zukünftigen Nachfrage nach ihren Produkten von Natur aus unsicher sind, können die Gewinnerwartungen plötzlichen Schwankungen unterliegen. Solche Erwartungsänderungen könnten dann auch die Reaktion der Investitionen auf andere Faktoren wie Zinssätze oder Kapazitätsauslastung beeinflussen. Im Falle einer vollständig exogenen Investitionsnachfrage wie in Gleichung (4.1) würde eine Änderung der Erwartungen der Unternehmen durch einen exogenen (positiven oder negativen) Schock der Animal Spirits dargestellt: \(\Delta I = \Delta a_a\). Wenn wir jedoch eine genauere und systematischere Aussage darüber treffen wollen, wie verschiedene exogene oder endogene Variablen die Investitionen beeinflussen, müssen wir bestimmte Variablen in unsere Investitionsfunktion integrieren. Dies wird in den nächsten Unterkapiteln geschehen.
4.2 Der Einfluss des Zinssatzes auf die Investitionsnachfrage
Die Höhe des erwarteten Realzinses, \(r\), spielt eine wichtige Rolle bei den Investitionsentscheidungen von Unternehmen (Kapitalgüter, Anlagen, gewerbliche Immobilien) und Haushalten (Wohnimmobilien), da die Finanzierungskosten einer Investition und damit ihre Rentabilität oder sogar ihre Durchführbarkeit davon beeinflusst werden können. Der Realzins ist dabei durch den um die erwartete Inflationsrate, \(\pi^e\), korrigierten Nominalzins, \(i\), gegeben Eine vereinfachte Annäherung des Realzinses erhalten wir durch:
\[\begin{equation} r = i - \pi^e \tag{4.2} \end{equation}\]
Bei einer kreditfinanzierten Investition stellt der Zinssatz einen direkten Kostenfaktor des Investitionsprojektes dar. Bei einer Finanzierung der Investition aus Eigenmitteln des Unternehmens, z.B. aus einbehaltenen Gewinnen, muss das Unternehmen abwägen, ob die realwirtschaftliche Investition rentabler ist, als z.B. eine alternative verzinste Anlage des Geldes.19 In der Investitionstheorie wird z.B. häufig angenommen, dass die erwartete Rentabilität einer Investition durch den Nettokapitalwert der Investition berechnet werden kann. Dabei wird der gegenwärtige Wert der Summe der durch die Investition erwarteten periodischen Einzahlungsüberschüsse, der sogenannte Barwert, mit den Anschaffungskosten der Investition verglichen.
\[\begin{equation} \text{Nettokapitalwert} = \text{Barwert der Einzahlungsüberschüsse} - \text{Anschaffungskosten} \tag{4.3} \end{equation}\]
Ist der Nettokapitalwert positiv, so lohnt sich eine Investition aus wirtschaftlicher Sicht; ist er negativ, so ist die Investition mit einem finanziellen Verlust verbunden.
Bei den periodischen Einzahlungsüberschüssen handelt es sich um die Differenz der mit dem Investitionsprojekt verbundenen Ein- und Auszahlungen in jeder Periode, ohne die ursprünglichen Ausgaben für das Investitionsprojekt. Da die Werte der Einzahlungsüberschüsse erst in der Zukunft anfallen, müssen wir sie mittels der Zinsrechnung mit den bereits in der Gegenwart anfallenden Anschaffungskosten vergleichbar machen. Wir erhalten den heutigen Wert eines zukünftig anfallenden Einzahlungsüberschusses, indem wir berechnen, wie viel wir bei gegebenem Zinssatz heute anlegen müssten, um zum Zeitpunkt des potentiellen Einzahlungsüberschusses einen Wert in genau dieser Höhe zu haben. Dieser Wert wird als Barwert bezeichnet.
Den Barwert (\(V_t^e\)) der in den zukünftigen Zeitperioden erwarteten Einzahlungsüberschüsse kann demnach wie folgt berechnet werden, wobei \(P_t^e\), \(P_{t+1}^e\), … bis \(P_{t+T}^e\) für den erwarteten Einzahlungsüberschuss in der Zeitperiode \(t\), \(t+1\) usw. bis \(t+T\) stehen und wir der Einfachheit halber annehmen, dass der reale Zinssatz (\(r\)) über alle Perioden hinweg konstant bleibt:
\[\begin{equation} V_t^e = P_t^e+\frac{P_{t+1}^e}{\left(1+r\right)}+\frac{P_{t+2}^e}{\left(1+r\right)^2}+...+\frac{P_{t+T}^e}{\left(1+r\right)^T}\ =\sum_{i=0}^T\frac{1}{\left(1+r\right)^i}P_{t+i}^e \tag{4.4} \end{equation}\]
Nehmen wir für ein einfaches Beispiel an, dass die Anschaffungskosten einer Maschine 10.000 € betragen und durch ihren Einsatz jährliche Einzahlungsüberschusse von 5200 € über ihre Lebensdauer von zwei Jahren erwirtschaftet werden. Bei einem angenommenen Realzinssatz von 10% wäre der Nettokapitalwert der Investition dann:
\[\begin{equation} \text{Nettokapitalwert} = V_t^e - \text{Anschaffungskosten} \tag{4.5} \end{equation}\]
\[\text{Nettokapitalwert} = 5200 € + \frac{5200 €}{1,10} - 10.000 €\] \[\text{Nettokapitalwert}= - 72,73 €\] Die Investition in diese Maschine wäre bei einem Zinssatz von 10% also verlustbringend und sollte aus wirtschaftlicher Sicht nicht durchgeführt werden. Bei einem Nettokapitalwert von genau 0 würde das Projekt genau auf der Schwelle zur Rentabilität stehen.
Da der Barwert der Einzahlungsüberschüsse vom angenommenen Zinssatz abhängt, hängt auch der Nettokapitalwert vom unterstellten Zinssatz ab. Wenn wir nun den theoretischen Zinssatz berechnen, bei dem eine Investition einen Nettokapitalwert von genau Null annimmt, dann berechnen wir damit den Zinssatz, bei dem das Projekt genau an der Schwelle zur Rentabilität steht. Dieser Zinssatz wurde von Keynes als Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals, kurz GLK (englisch Marginal Efficiency of Capital) bezeichnet.20 Die GLK wird oft auch als interner Zinssatz der Investition bezeichnet. Wenn der für die Finanzierung der Investition verlangte Zinssatz die GLK des Projekts übersteigt, ist die Investition verlustbringend und sollte nicht von einem gewinnorientierten Unternehmen durchgeführt werden. Liegt der Zinssatz jedoch unter der GLK, ist die Investition rentabel. Da Keynes’ GLK, dem Zinssatz entspricht, bei dem der Barwert der Einzahlungsüberschüsse genau den Anschaffungskosten entspricht, gilt:
\[\text{Anschaffungskosten} = \text{Barwert der Einzahlungsüberschüsse bei GLK-Zins}\] Für das Beispiel von oben erhalten wir:
\[10.000€ = 5200 € + \frac{5200 €}{1 + \text{GLK}}\] Durch Umstellen nach GLK ergibt:
\[4.800 € \cdot (1 + \text{GLK})= 5200 €\] \[4.800 € \cdot \text{GLK}= 400 €\]
\[\text{GLK} = 0,083\] Das Projekt wäre demnach bei einem Zinssatz unter 0,083 rentabel.
Natürlich sollte bei so einem vereinfachten Beispiel nicht vergessen werden, dass der Nettokapitalwert und die GLK sehr stark von Unsicherheit geprägt sind. Die Erlös- und Gewinnerwartungen der Unternehmen können sich schnell ändern, wenn neue Informationen über die Geschäftsaussichten auftauchen. Hierdurch ändert sich dann entsprechend die GLK, und es werden bei einem gegebenen Zinssatz dann bei einer höheren GLK mehr Investitionsprojekte durch geführt, bzw. bei einer geringeren GLK ensprechend weniger Investionen getätigt.
Zu einem gegebenen Zeitpunkt und bei gegebenen Erlöserwartungen sind in einer Volkswirtschaft nun eine Reihe von Investitionsprojekte möglich. Diese Projekt werden jedoch unterschiedliche GLKs aufweisen. Ordnet man diese Projekte entsprechend ihrer GLK, und nimmt an, dass zunächst die Projekte mit der höchsten GLK realisiert werden, so erhält man mit dem Anstieg der Investitionen eine fallende Kurve der GLK. Dies wird in Abbildung 4.4 gezeigt. Die Unternehmen werden nun nur die Projekte realisieren, für die die GLK höher als der Zins auf dem Kreditmarkt ist. Hierfür können, wie oben bereits erwähnt, im Wesentlichen zwei Gründe ausschlaggebend sein. Müssen die Investitionen zumindest teilweise durch Kredite finanziert werden, so setzt die Bedienung der Kredite voraus, dass die Unternehmen entsprechende Erlöse erzielen, d.h. die GLK höher als der Kreditzinssatz ist. Haben die betroffenen Unternehmen genügend Eigenmittel und sind daher nicht auf Kredite angewiesen, so werden sie auch dann nur investieren, wenn die GLK den Zinssatz auf dem Kreditmarkt übersteigt. Wäre dies nicht der Fall, so könnten sie ja alternativ ihre Eigenmittel zum vorherrschenden Zinssatz auf dem Kreditmarkt verleihen. Aus diesen Überlegungen können wir daher schließen, dass in der kurzen Frist - und ohne weitere Wechselwirkungen im Modell zu betrachten - zu jedem Zeitpunkt eine negative Beziehung zwischen dem realisierten Investitionsvolumen und der Höhe des realen Kreditzins existiert.
Unter diesen Bedingungen wird also ein steigender Realzins einen negativen Effekt auf die Investitionsnachfrage ausüben, während ein sinkender Realzins einen positiven Effekt haben sollte. Die Kausalität wird in Abbildung 4.5 dargestellt.
Der negative Einfluss des realen Zinssatzes wird in der Investitionsfunktion durch den Term \(a_r r\) repräsentiert. Wie bereits oben erwähnt, gibt es jedoch noch weitere Determinanten der Investitionsnachfrage. Insbesondere die optimistischen oder pessimistischen Absatz- und Erlöserwartungen der Unternehmen spielen hier eine wichtige Rolle. Diese berücksichtigen wir daher auch in unserer Investitionsfunktion, denn sie sind in dem “Animal Spirits” Parameter, \(a_a\), enthalten. Eine einfache Investitionsfunktion, die sowohl die Zinsreagibilität der Investition als auch andere nicht spezifizierte Determinanten der Investition aufnimmt, wäre daher:
\[\begin{equation} I = a_a - a_r r \tag{4.6} \end{equation}\]
Die Konstante \(a_a\) wird hier als autonome Investitionen oder „Animal Spirits“ bezeichnet. Zudem hat auch der Realzins hat einen Einfluss, wobei die Konstante \(a_r\) als Zinsreagibilität der Investitionen bezeichnet wird. Dabei wird angenommen, dass sich ein höherer Realzins negativ auf die Investitionen auswirkt.
Verzögerte Reaktion der Investitionen auf den Realzins
Zusätzlich könnte davon ausgegangen werden, dass Investitionen nur mit einer gewissen Verzögerung auf eine Zinsänderung reagieren (wir sprechen dann von einem „Lag“ in der Investitionsfunktion).21 So könnte etwa angenommen werden, dass die Investitionen erst nach einer bestimmten Zeitspanne, z.B. nach einem Jahr, auf eine Änderung des Realzinses reagieren. Die Investitionsfunktion wird dann dynamisch, d.h. die Investitionen in der aktuellen Periode, \(I\), werden durch den Realzins der Vorperiode, \(r_{-1}\), beeinflusst:
\[\begin{equation} I = a_a - a_r r_{-1} \tag{4.7} \end{equation}\]
Abbildung 4.6 stellt die Investitionsfunktion aus Gleichung (4.7) für bestimmte numerische Werte dar.
Neben Keynes’ Investitionstheorie, die auf der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals basiert, lässt sich ein negativer Einfluss des Zinssatzes auf Investitionsentscheidungen auch aus dem von Michael Kalecki (1937) vorgeschlagenen Konzept des „Prinzips des steigenden Risikos“ (englisch Principle of increasing risk) ableiten. Höhere Zinszahlungen wirken sich hier negativ auf die Investitionen aus, weil sie die einbehaltenen Gewinne der Unternehmen belasten und damit die eigenen finanziellen Ressourcen der Unternehmen reduzieren. Eigene Finanzmittel sind jedoch wichtig, weil der Zugang zu externen Mitteln auf unvollständigen Finanzmärkten begrenzt sein kann. Die Höhe der eigenen Finanzmittel ist in der Regel ein Kriterium für die Kreditwürdigkeit und Solvenz des Unternehmens und beeinflusst somit die mögliche Höhe der externen Mittel, die ein Unternehmen aufnehmen kann. Darüber hinaus erhöht ein Abfluss interner Mittel das Risiko, dass das Unternehmen illiquide wird. Ein erhöhtes Risiko der Zahlungsunfähigkeit verringert dann auch die Bereitschaft der Unternehmensleitung, in den Kapitalstock des Unternehmens zu investieren. In der folgenden interaktiven Anwendung können die Parameter der Investitionsfunktion (4.6) verändert werden.
4.3 Die Wirkung der Nachfrage auf die Investitionen
Nehmen wir an, dass die Unternehmen in unserer Wirtschaft mit einer rasch steigenden Nachfrage nach ihren Produkten konfrontiert sind. Die Unternehmen würden der Nachfrage nachkommen und zunächst ihre Lagerbestände an fertigen Produkten verkaufen und sodann die Produktion erhöhen. Wenn der Absatz der Produkte jedoch hoch bleibt, werden die Unternehmen eine erhöhte Auslastung der Produktionskapazität feststellen, woraufhin sie in neue Maschinen, Anlagen und Infrastruktur investieren werden. Es ist daher naheliegend, dass ein Unternehmen investiert, wenn es eine hohe Nachfrage nach seinen Produkten im Vergleich zu seinen Produktionskapazitäten erwartet. Für die Wirtschaft insgesamt kann man daher vereinfacht davon ausgehen, dass sich eine hohe Gesamtnachfrage oder ein hohes BIP positiv auf die Investitionen auswirkt, wie Abbildung 4.7 illustriert.
In den bisher dargestellten Investitionsfunktionen würden die mit der Nachfragesteigerung verbesserten Erlöserwartungen durch eine Verbesserung der ‘Animal Spirits’ und damit der Konstanten, \(a_a\), zum Ausdruck kommen. Wir können jedoch den Effekt der Nachfrage auch explizit in die Investitionsfunktion einführen, indem wir zusätzlich einen nachfrage- bzw. einkommensabhängigen Term einfügen:
\[\begin{equation} I = a_a + a_Y Y - a_r r_{-1} \tag{4.8} \end{equation}\]
Dabei gibt \(a_Y\) den Effekt der Nachfrage auf die Investitionen an und ist positiv. Dieser Effekt wird auch als Akzeleratoreffekt bezeichnet. Die Konstante \(a_a\) wird wieder als „Animal Spirits“ interpretiert und drückt nun das allgemeine Investitionsklima, die Risikobereitschaft von Unternehmen etc. aus. Im Vergleich zu Abbildung 4.6 wird die Investitionsfunktion aus Gleichung (4.8) in Abbildung 4.8 durch den Akzeleratoreffekt nach oben verschoben.
In der folgenden interaktiven Anwendung können die Parameter der Investitionsfunktion aus Gleichung (4.8) verändert werden.
Weiterführende Literatur zu Kapitel 4
Lehrbücher:
- Bofinger (2019, Kap. 20)
- Carlin und Soskice (2015, Kap. 1)
- Heine und Herr (2013, Kap. 4.3)
- Snowdon und Vane (2005, Kap. 2)
Andere Literatur:
- Kalecki (1937)
- Keynes (1936, Kap. 11–12)
References
Der Parameter \(a_a\) kann, je nach Zweck des Modells, jedoch auch für den Teil der Investitionen stehen, der wegen des technischen Fortschritts auf jeden Fall getätigt werden muss, um konkurrenzfähig zu bleiben.↩︎
Der Zinssatz wäre bei der Eigenmittelfinanzierung der Investition also eine Determinante der Opportunitätskosten, welche die entgangenen Gewinne aus der finanziellen Anlage des Geldes bemessen.↩︎
Dieser Begriff ist etwas irreführende, da es dabei ja nur um die Grenzleistungsfähigkeit der Investition geht, und nicht um den gesamten Kapitalstock. Der Begriff sollte daher nicht mit dem Konzept der Grenzproduktivität des Kapitals verwechselt werden.↩︎
Lag: englisch Verzögerung.↩︎